Bettensteuer in Görlitz - Der Tourismusverein fordert Mitwirkung im weiteren Prozess
Rund 35 Gäste aus Politik und Tourismus folgten am 15.07.2021 der Einladung des Tourismusvereins Görlitz e.V. zu einem öffentlichen Erfahrungsaustausch zur „Tourismusfinanzierung“. Hintergrund ist der Grundsatzbeschluss des Stadtrates am 29.04.2021 zur Einführung einer Bettensteuer in Görlitz, deren Erträge in den allgemeinen öffentlichen Haushalt fließen.
Katrin Bartsch, Vorsitzende des Verein, kritisierte in ihrer Begrüßungsrede die bisher fehlende Einbeziehung der Tourismusbranche bei diesem Thema scharf: „Tourismus ist eine öffentliche und privatwirtschaftliche Aufgabe gleichermaßen, die selbstverständlich finanziert werden muss. Aber das geht nur im Miteinander. Daher müssen wir dringend miteinander ins Gespräch kommen, wie das gemeinsam sinnvoll, zielgerichtet und mit vertretbarem Aufwand für alle Seiten umgesetzt werden kann. Tourismus braucht gezielte Investitionen und kann nicht der Lückenfüller für das städtische Budget ohne feste Zusagen zur zweckgebundenen Verwendung sein.“
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Als Auftakt und erstes Gesprächsangebot dazu hatte der Verein Referenten aus anderen sächsischen Kommunen eingeladen, die über ihre Abwägungen und Erfahrungen beim Einführen und Umsetzen touristischer Finanzierungsinstrumente berichteten. Zunächst aber gab Andrea Kis, stellvertretende Direktorin des LTV Landestourismusverband e.V. eine Einführung in das Thema Tourismusfinanzierung und konnte damit viel Unwissenheit zu den unterschiedlichen Instrumenten aufklären. „Transparenz, Zweckbindung und minimaler Aufwand für alle Beteiligten sind die wichtigsten Kriterien bei der Tourismusfinanzierung durch mehrere Partner“, führte Frau Kis aus. „Das ist bei einer Bettensteuer nicht gegeben.“
Marc Arendt, Geschäftsführer des Ringhotels Residenz Alt Dresden berichtete von der Einführung einer Bettensteuer in Dresden. In der Umsetzung dieser musste nachträglich mehrfach nachgesteuert werden, da der Prozess viel zu umständlich aufgesetzt und mit erheblichem Mehraufwand für die Gastgeber verbunden war (z.B. prozentuale Staffelung der Steuerhöhe mit Bezug zu den Zimmerpreisen statt jetzt geltender pauschaler Steuersatz). Bis heute gibt es keine Hotelsoftware, die den abzuführenden Betrag für die Gastgeber automatisch ausrechnet. Zudem wies er auf die fehlende Transparenz für den Gast hin, der dies kritisch hinterfragt. Die Diskussion dazu bleibt beim Gastgeber hängen – ein sehr emotionaler Vorgang. Er verwies in diesem Zusammenhang auf Hamburg, wo es eine feste Verabredung zwischen Tourismusbranche und Stadt dazu gibt.
In Meißen gibt es seit 2019 eine Gästetaxe. Christian Friedel, Amtsleiter Stadtmarketing, Tourismus und Kultur in der Stadt erläuterte den Prozess der Einführung einer Gästetaxe in seiner Stadt. „Nehmen Sie sich Zeit und treten Sie von Beginn an in einen intensiven Dialog miteinander“ – so seine Empfehlung. In Meißen wird die Erhebung der Taxe zunehmend digital abgewickelt, eine erhebliche Effizienzsteigerung für alle. In der Stadtverwaltung selbst bedarf es nur 0,5 VZÄ für die Bearbeitung. Für den Gast gibt es mit der Gästekarte sogar einen direkten Nutzen. Die Stadt Meißen verwendet die Einnahmen von ca. 220 TEURO zielgerichtet für die Pflege und Weiterentwicklung der touristischen Infrastruktur.
Olaf Franke von der Marketing Gesellschaft Oberlausitz mbH MGO betonte in seinem Redebeitrag, dass die ganze Region tourismusstarke Kommunen mit leistungsfähiger Infrastruktur brauche, um mittel- und langfristig zu wachsen. Dazu braucht es eine verlässliche und zielgerichtete Finanzierung.
Katrin Bartsch dankte allen Referenten für ihre Einblicke und zog folgendes Fazit: „Wir wollen, dass der Görlitzer Tourismus auch in Zukunft eine Erfolgsgeschichte ist. Die abrupte Beschlussfassung vom 29.04.2021, mitten in der Corona-Pandemie, war kein Paradebeispiel für einen intensiven Dialog, für ein konstruktives Miteinander.
Die Gäste können einen finanziellen Beitrag dazu leisten. Aber wir fordern jetzt eine intensive Einbeziehung der Tourismusbranche in den Erarbeitungsprozess und verbindliche Zusagen für die Verwendung der Gelder zu Gunsten unserer touristischen Entwicklung.“
Hintergrund:
Die Tourismusbranche in Görlitz erwirtschaftete 2019 einen Bruttoumsatz von 101,7 Mio. Euro an 2,56 touristischen Aufenthaltstagen. Sie begrüßte 2,2 Mio. Besucher, die für 360.000 Übernachtungen sorgten. (Alle Berechnungen beruhen auf Daten aus 2019, Quelle: DWIF). Die Gastgeber steigerten das Angebot kontinuierlich durch Investitionen in Betriebe und Betten (+43% mehr Betten in Betrieben ab 10 Betten im Zeitraum 2010 bis 2020, Quelle: Statisches Landesamt des Freistaats Sachsen) und legten somit die Grundlage für mehr Wachstum. In Görlitz gibt es mehrheitlich individuell und privat geführte Häuser, die nach Eigensanierung eröffnet wurden.
Die Branche kämpft zurzeit mit den gravierenden Auswirkungen der Corona-Pandemie. Weitere Herausforderungen bestehen in der dramatischen Verschärfung des Fachkräftemangels, anstehenden Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Der Stadtrat von Görlitz hat in seiner Sitzung am 29.04.2021 einen Grundsatzbeschluss zur Einführung einer Bettensteuer gefasst. Der Oberbürgermeister und seine Verwaltung sind nun damit beauftragt, eine Satzung zu erarbeiten. Die Einnahmen einer Steuer fließen ohne Zweckbindung in den städtischen Haushalt.
Umfassende Informationen zu zielgerichteten Instrumenten der Tourismusfinanzierung in Sachsen sowie Erläuterungen zur Anwendung gibt der LTV:
https://www.ltv-sachsen.de/de/Themen/Finanzierung-im-Tourismus_1495.html
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