Kunst & Kultur
Erna von Dobschütz
Malerin
1963 starb in einem Görlitzer Altenpflegeheim eine 87jährige Greisin, von der kaum jemand wusste, dass sie Malerin gewesen war. Eine Bekannte aus dem Luisenstift machte den damaligen Museumsdirektor Prof. Dr. Ernst- Heinz Lemper auf das Oevre der Künstlerin aufmerksam und es gelang ihm, den Nachlass für die Stadt Görlitz von den in Westdeutschland lebenden Erben zu erwerben. So blieben fast 200 Kohlezeichnungen, Aquarelle, Pastelle sowie Ölbilder und -skizzen in den Städtischen Kunstsammlungen Görlitz, die 1964 der Künstlerin eine viel beachtete Ausstellung widmeten.
Über die Persönlichkeit Erna von Dobschütz` ist nur sehr wenig bekannt. Auch die Ahnenforschung betreibende Familie, konnte bisher kaum Licht in das Leben dieser Frau bringen. Vielleicht lässt aber genau dieser Umstand die Schlussfolgerung zu, dass Erna von Dobschütz ein ruhiges, einfaches und unspektakuläres Leben führte. Am 6. März 1876 wurde sie im oberschlesischen Cosel in einer Offiziersfamilie geboren. Der Vater zog mit der Familie nach der Verabschiedung vom aktiven Militärdienst 1888 wie viele andere Pensionäre und Rentiers nach Görlitz.
Wann Erna von Dobschütz mit dem Malen begann, wissen wir nicht. Wie in adligen oder bürgerlichen Familien üblich wurden die Söhne mit Ausbildung bevorzugt. Für junge Mädchen fand man öffentliche Akademien unpassend und vor allem unnötig. Schließlich sah die Gesellschaft für sie die Rolle der Hausfrau und Mutter vor. Doch genau dies tat Erna von Dobschütz nicht. 1900 ging sie nach Dresden, wo sie bei zwei ledigen Tanten, in deren Haus sie günstig unterkommen konnte, wohnte. Als Privatschülerin von Wilhelm Claudius und Robert Sterl lernte sie die Grundlagen der Maltechniken. Von 1904 bis 1908, vielleicht auch schon eher, war sie Privatschülerin im Damenatelier bei dem damals sehr geschätzten Bildnismaler Prof. Franz Skarbina in Berlin. Seit 1909 finden wir sie in den Görlitzer Adressbüchern als Porträtmalerin mit einem Atelier im Haus Kahle 7, das 1929 von Johannes Wüsten übernommen wurde.
Die einzige öffentliche Ausstellung, von der uns die Beteiligung der Erna von Dobschütz bekannt ist, war 1904 - eine Verkaufsausstellung des Kunstvereins für die Lausitz in der Oberlausitzer Gedenkhalle. Die Kritiken in der Presse waren sehr positiv. Erna von Dobschütz wurde als "eine sehr strebsame und vielversprechende Kraft" bezeichnet, "die sich das Porträtfach erwählt hat, die schwierige Kunst, das Antlitz in seinen charakteristischen Eigentümlichkeiten festzuhalten" (Görlitzer Anzeiger).
Die im Görlitzer Museum überlieferten wundervollen Bilder der Erna von Dobschütz bieten einen Überblick über die Porträtmalerei am Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie sind sehr realistisch und die Personen allesamt "gut getroffen". Da sind Frauen jeden Alters und Männer, Jungen und Mädchen. Viele der Dargestellten sind sicherlich Görlitzer, ohne dass ihre Namen überliefert sind. Einige der Zeichnungen scheinen Vorarbeiten für Auftragsbildnisse zu sein und stammen noch aus der Ausbildungszeit der Malerin. In den zwanziger Jahren verlieren sich die Spuren der Erna von Dobschütz als Künstlerin. Die Aufträge scheinen spärlicher geworden zu sein. Nur noch wenige Bilder sind überliefert. Erna von Dobschütz blieb zeitlebens unverheiratet. Bis 1952 wohnte sie auf der Kahle (heute Johannes-Wüsten-Straße), danach bis 1962 im Luisenstift. Das letzte Lebensjahr verbrachte sie im Zentralhospital, wo sie am 25. Juni 1963 starb.
Der Nachlass wird im Graphischen Kabinett im Kulturhistorischen Museum Görlitz bewahrt und ist für wissenschaftliche Arbeiten zugänglich.
Text: Ines Anders