Gesellschaft

Georg Snay

Oberbürgermeister

Am 21.06.1901 zog er nach Görlitz, um seinen Kindern "eine gute Schulbildung zu bieten". Hier ging auch sein lang gehegter Wunsch, zur Stadtverwaltung überzutreten, in Erfüllung, indem er 1904 zweiter Bürgermeister wurde.
Bereits im Mai 1906 wurde er zum Görlitzer Oberbürgermeister ernannt. Viel tat er für die Intensivierung des geistig-kulturellen Lebens unserer Stadt. So wurde er 1906 Mitglied der traditionellen Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, die ständig "seine liebevolle Unterstützung fand". Snay ermöglichte auch am 01.01.1907 dem wissenschaftlichen Sekretär Richard Jecht in Görlitz, als erster wissenschaftlicher Ratsarchivar der Oberlausitz zu arbeiten. Damit war eine Grundlage gelegt, dass Görlitz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Zentrum der regionalen Geschichtsforschung wurde. Dank Initiative des Geheimen Kommerzienrates Otto Müller wurden am 28.07.1907 die Volksbücherei und Lesehalle an der Jochmannstraße eröffnet. Seit 1907 amtierte unser OB als Vorsitzender des niederschlesischen Städtetages. Drei Jahre später wurde die erste elektrische Straßenbeleuchtung in Görlitz eingeführt. Am 27.10.1910 konnte die Görlitzer Stadthalle eröffnet werden. Die Einweihung der imposanten neuen Synagoge an der Otto-Müller-Straße für die relativ große hiesige jüdische Gemeinde, die im wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Leben unserer Stadt eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte, erfolgte am 07.03.1911.
Am 30. September 1913 wurde das große "Kaufhaus zum Strauß" eröffnet. Bald wirkte sich der erste Weltkrieg (1914-1918) in mehrfacher Hinsicht destruktiv auf das Leben in unserer Stadt aus. Wenngleich etwas verzögert, fand am 09.03.1916 der erste Gottesdienst in der modernen evangelischen Kreuzkirche statt. Anlässlich der 400-Jahrfeier des auf Luthers Thesenanschlags zurückgehenden Reformationsfestes bat Georg Snay die Herren Mitglieder des Magistrats sowie die gesamte Beamtenschaft, sich recht zahlreich am Festgottesdienst am 31.10.1917 zu beteiligen. Der Umbau des Görlitzer Bahnhofes verzögerte sich kriegsbedingt etwas. Nachdem das neue Bahnpostamt bereits am 15.05.1915 eröffnet worden war, konnte das neue Empfangsgebäude schließlich am 06.09.1917 eingeweiht werden. Im Oktober 1916 wurde Snay in der Kurve an der Rothenburger Versicherungsanstalt aus der Straßenbahn geschleudert und erlitt Verletzungen am rechten Bein, am rechten Arm, sowie an beiden Händen. Der Betriebsverwaltung der Lokal- und Straßenbahngesellschaft schrieb er u. a.: "Ich zeige dies hiermit an, damit in Zukunft ähnliche Unglücksfälle ... vermieden werden."
1918 wurde Georg Snay auf 12 Jahre wieder als Görlitzer Oberbürgermeister gewählt. Im selben Jahr rief er den Beamtenausschuss ins Leben und trat später selbst der liberalen DDP (Deutsche Demokratische Partei) bei. Snays Bericht sowie ein Presseartikel vom 09.11.1938 zum 20-jährigen Jubiläum der Novemberrevolution tendieren eher zu einer Unterbetonung der lokalen Ereignisse, wenngleich die Zeitung in der Überschrift von der "tiefsten Erniedrigung unseres Volkes" sprach. Voraus gingen die schwierigen Jahre des ersten Weltkrieges und 1920 folgte der Kapp-Putsch, den sechs Görlitzer nicht überlebten. Wohl deshalb konnte das 850-jährige Jubiläum der Ersterwähnung unserer Stadt im Jahre 1921 nicht in gebührendem Umfang gefeiert werden.
Das westlich von Görlitz gelegene Dorf Rauschwalde wurde am ersten Oktober 1925 eingemeindet. Es entstanden neue Stadtteile auf dem Rabenberg (im heutigen Zgorzelec) und an der Holteistraße. Große Aufmerksamkeit wurde auch sozialen Belangen gewidmet. So entstanden Fürsorgestellen, Milchküchen, Kindererholungsheime, Kindergärten, Jugendheime und dergleichen. Frau Snay persönlich arbeitete als Vorsitzende des Vereins Görlitzer Kinderhorte e.V.. Auch Sport- und Erholungsstätten gewannen an Bedeutung. An der Weinlache entstand ein großes Freibad und die Stadt übernahm das traditionelle Hallenbad des Dr. Freise bereits im Jahre 1920. Sportplätze und Turnhallen wurden zur körperlichen Ertüchtigung angelegt und das Schulwesen entsprechend den neuen Anforderungen ausgebaut. Dankbar ist ihm Görlitz vor allem auch für die Wiedereinführung der beliebten Schlesischen Musikspiele 1925, welche 1913 infolge Kriegs- und Notzeit unterbrochen werden mussten.
1927 trat Georg Snay in den wohlverdienten Ruhestand und bekam das Ehrenbürgerrecht der Stadt Görlitz verliehen. Trotzdem engagierte er sich noch im geschäftsführenden Ausschuss des 20. Schlesischen Musikfestes 1928. Am 3. Dezember 1930 verstarb er im Alter von 68 Jahren. Im Nekrolog der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften heißt es u. a.: "Zustatten kam ihm seine bewunderungswürdige Fähigkeit, schnell und dabei sachgemäß die Verhältnisse zu durchschauen, sich ein klares Urteil zu bilden, das in Worte zu fassen und auf das Papier zu bringen." Der Historiker Richard Jecht schrieb abschließend: "Wir haben einen der Besten aus unserer Mitte, einen wahrhaften Vater unserer Stadt begraben." Östlich der Neiße erhielt der Park neben der Ruhmeshalle (Dom Kultury) den Namen des verstorbenen OB. Heute erinnert lediglich seine Grabstelle an der hiesigen Friedhofsmauer noch an den "vortrefflichen Mann".

Text: Roland Otto


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Schriftenauswahl

  • Vorwort: Görlitz, in: Monographien deutscher Städte, Hrg. von Erwin Stein, Bd. XIII, Görlitz, Berlin- Friedenau, 1925, S. 9- 19
  • Bericht: Ausbruch der Revolution in Görlitz am 9. November 1918, (9. 11. 1928), in: Akte des RAG, Rep. III, S. 978, Nr. 1

Literatur über Georg Snay

  • Akte des RAG, Personalien des Oberbürgermeisters Georg Snay im Jahre 1904, 236c
  • Jecht, Richard, Nekrolog zu Georg Snay, in: Neues Lausitzisches Magazin, Bd. 106, Görlitz 1930, S. 217- 218