Persönlichkeiten

Johann Christoph Lüders

Johann Christoph Lüders

Am 12. Juli 1803 in Bettingerode (Harzburg) geboren und als Hütejunge in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, war er nach seiner Lehre als Sattler und Lackierer (ab 1817) bereits 1826 Werkmeister einer Kutschenfabrik in Dresden. 1827 gründete er seine Sattler- und Lackiererwerkstatt in Görlitz, wo er Kutschwagen herstellte. 1851 zog der mittlerweile gewachsene Betrieb an den neuen Standort Brunnenstraße um und wurde 1869 zur Aktien-Gesellschaft für Fabrikation von Eisenbahnmaterial zu Görlitz. Damit entstand der größte und bekannteste Industriebetrieb der Stadt, aus dem durch Zusammenschluss mit anderen Unternehmen 1921 die Waggon- und Maschinenbau-Aktiengesellschaft (WUMAG) entstand, deren Nachfolgebetriebe noch heute in Görlitz produzieren. Die Spitzenerzeugnisse des Unternehmens (Eisenbahn-Personenwagen, Speisewagen, Güterwagen, Salonzüge, Schnelltriebwagen, Doppelstockwagen) erregten internationales Aufsehen und prägten die deutsche Eisenbahngeschichte mit. Über Generationen hinweg fanden Tausende von Görlitzern in diesem Unternehmen Arbeit und Einkommen. Die Orientierung auf wissenschaftliche und technische Neuerungen, die Entwicklung leistungsfähiger und formschöner Erzeugnisse erschlossen den erfolgreichen Zugang zum nationalen und internationalen Markt. So wurde Görlitz als Industriestandort weithin bekannt.  
Beispielgebend war das Wirken des Betriebsgründers in der Kommunalpolitik nach der Einführung der preußischen Städteordnung in der Stadt. Von 1842 bis 1869 wirkte Lüders als Stadtverordneter. Er setzte sich besonders für Bauwesen, Verkehrswesen, Industrie und Gewerbe, Volksbildung und Kultur ein und förderte die Lehrlingsausbildung. Er spendete mehr als die Hälfte der Bausumme für das Haus des Gewerbevereins (heute Humboldthaus) 1871 und überwachte im städtischen Auftrag den Bau des Theaters 1851. Für Lüders waren Wirtschaft, Kommunalpolitik und Kultur untrennbar. Unternehmer und Stadtverwaltung sollten gemeinsam diese drei Seiten gesellschaftlichen Fortschritts in ihrer Einheit gestalten und durchsetzen. Dieser Weg bewährte sich und führte zum Aufblühen von Görlitz zu einer der reichsten und schönsten deutschen Städte im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Bauwerke jener Epoche bezeugen auch heute noch, vielfach saniert, die Leistungen jener Generationen. Sie verpflichten uns, unter den neuen Bedingungen die Stadt durch wirtschaftliche, kommunalpolitische und kulturelle Leistungen für Bürger und Gäste anziehend zu gestalten.
Lüders starb am 26. August 1872 und wurde auf dem städtischen Friedhof in Görlitz beigesetzt. 1903 erhielten Platz und Straße am Werkgelände seinen Namen. Gegenüber dem Werktor an der Brunnenstraße wurde sein Denkmal enthüllt, das dem II. Weltkrieg 1942 zum Opfer fiel. Ein lebendiges Denkmal setzte sich Lüders mit seinem Lebenswerk, das bis heute fortwirkt und in die Zukunft weist.

Text: Dr. Ernst Kretzschmar


Literatur über Christoph Lüders

  • Die Aktien-Gesellschaft für Fabrikation von Eisenbahn-Material zu Goerlitz. Verlag Hoffmann & Reiber, Görlitz 1903
  • Wolfgang Theurich: 100 Jahre Waggonbau in Görlitz. 1849 - 1999. Eisenbahn-Kurier-Verlag, Freiburg 1999
  • Wilfried Rettig: Eisenbahnknoten Görlitz. Bufe-Fachbuch-Verlag, Egglham 1994
  • Ernst Kretzschmar: Gewerbeverein zu Görlitz 1830. Wurzeln eines neuen Aufbruchs. Bayrische Vereinsbank, München 1995