Die Bierfehde
Dass die Görlitzer mit den Zittauern nicht erst heute darüber streiten, wer von ihnen wohl das beste Bier braut, zeigte die "Bierfehde" zwischen beiden Städten im Jahre 1491.
Das Recht, Bier zu brauen, stand nur einem begrenzten Kreise angesehner Familien zu. Diese Brauberechtigten durften ihre Häuser Brauhöfe nennen und das Bier selbst verkaufen. In ihren tiefen Kellergewölben bewahrten sie die Biervorräte auf, und in den Abendstunden, an den Sonntagen und Festtagen ließen sie den berauschenden Gerstensaft in den Hallen ihrer Häuser zum Ausschank kommen. Auch die Bauern der umliegenden Dörfer mussten ihr Bier von hier holen, oft blieben sie zum Umtrunke gleich in der Stadt und gaben zum Ärger ihrer Ehefrauen das restliche Geld auf dem Markte aus. In einem bestimmten Umkreis durfte keine andere Stadt ihr Bier verkaufen. Nur dem Landadel stand es zu, Bier selbst zu brauen oder es beliebig einzukaufen. Nun wollte Görlitz diesen Sperrkreis möglichst weit ausdehnen, um nicht anderen das einträgliche Geschäft zu überlassen. Langwierige Verhandlungen mit wechselndem Erfolg brachten dem Rat einige belohnende Privilegien. 1367 bestimmte Kaiser Karl IV., dass " jeder Kretscham und jeder andere innerhalb des Görlitzer Weichbildes Gesessene kein anderes als Görlitzer Bier zu den Dörfern oder sonstigen Orten des Weichbildes zum Ausschank führen solle". 1489 legte König Matthias fest, "dass hinfüro niemand fremde Biere zum Verschänken anderthalb Meilen zurings um Görlitz zu rechnen führen solle, widrigenfalls möchten die von Görlitz dieselben Verbrecher nach Gelegenheit der Sache strafen und das Bier wegnehmen". In Stadt und Dörfern war dies wohlbekannt.
Aber die Nachbarstädte, darunter Bautzen, Kamenz, Lauban und Bunzlau, mochten es gar nicht leiden, dass sie auf ein bisher übliches und gutes Geschäft verzichten sollten. Zittau vor allem war benachteiligt, sein Bier galt weit und breit als das beste, in Prag zahlte man mehr dafür als für das einheimische. Man hätte sich gütlich einigen müssen.
Aber wenn die Görlitzer etwas anfingen, dann verfolgten sie es gründlich. Am 4. Mai 1490 entsandte man 12 Reiter und 30 Fußknechte nach Horka, beschlagnahmte im Kretscham das Kamenzer Bier (das die trinkfreudigen Görlitzer Mönche zum Geschenk erhielten) und setzte den Kretschmer Wendt über einen Monat lang gefangen. Am 8. Juni zogen über 100 Mann nach Penzig, sie brachten den Kretschmer Kellerhans als Gefangenen ein, und gleiches widerfuhr den Schankwirten in anderen Dörfern. Einigen jungen Görlitzern schwoll nun der Kamm. Am 29. Mai 1491 lauerten sie zwischen Rosenthal und Ostritz einer Fuhre Zittauer Bieres auf, zerschlugen die Fässer und ließen das Bier auslaufen. Lange noch nannte man diese Stelle die "Bierpfütze". Freilich war der vorwitzige Handstreich gegen Recht und Gesetz, denn er geschah im Zittauer Weichbilde.
Die Zittauer waren aufs äußerste empört. Zwei Tage darauf ließen sie einen Buckligen mit dem Namen Krebs auf einem müden Klepper mit ihrem Fehdebrief nach Görlitz reiten. Darin kündigten sie Bürgermeister, Rat und Gemeinde von Görlitz an, dass sie "um solches Übels und bösen Mutwillens wegen" den Görlitzern "am Leibe und Gute Schaden zufügen" würden. Zur gleichen Stunde überfielen Zittauer Kriegsleute das Dorf Wendisch-Ossig, verprügelten die Bauern und nahmen größere Mengen Pferde, Rinder, Schweine, Betten, Kleidung und Geld mit. Den Görlitzern hinterließen sie die Nachricht, sie "möchten sich ihr Vieh auf dem Zittauer Markte holen". Nun warben sie, allerdings mit wenig Erfolg, Verbündete für ihren Bierkrieg gegen die Görlitzer. Ein gewandter Zittauer Reimeschmied dichtete ein keckes Spottliedchen, in dem Görlitz sein Fett abbekam. Hier aber verstand man darin keinen Spaß. Als ein Caspar Weber aus Horka das missliebige Lied vortrug, wurde er festgesetzt und auf richterlichen Entscheid öffentlich verdroschen. Taufte man in Zittau die Görlitzer die "Wendehüte", so bekamen die Zittauer dafür den Namen "Kühetreiber".
In den Dörfern aber war zu hören: "Wollt ihr hören ein neu Gedicht, wie es die Görlitzer ausgericht´? Gar schlecht ist´s ihnen bekommen. Die Zittauer haben die Küh´genommen. An einem Mittwoch es geschah, dass man die Görlitzer ausziehen sah. Des Morgens in den Tauen haben sie der Zittauer Bier zerhauen. Die Kunde kam nach Zittau ein. Es machte den Bürgern große Pein. Sie taten sich besprechen, wie sie sich wollten rächen . . .Der kleine Krebs nach Görlitz ritt. Den Fehdebrief, den bracht´er mit. Der Bürgermeister sprach eben: Wir wollen dir Antwort geben. Der Bote dacht´ in seinem Mut, die Antwort möchte nicht werden gut. Drum ritt er rasch von dannen. In Wendisch-Ossig traf er die Mannen, die fielen dort gar mächtig ein, sie nahmen den Bauern Küh´und Schwein. Drauf jagten sie nach Zittau jach. Die Görlitzer folgten folgten hintennach. Nun schenkten die Zittauer Bier und Wein und sagten, lasst uns fröhlich sein, nun sind wir wohl beraten, haben zu sieden und zu braten. Wer ist´s, der diese Reime sang? Ein frischer Knab ist er genannt . . . Er singt und sagt uns noch viel mehr. Nach Görlitz dürft´er nimmermehr. Er trägt ein frisch Gemüte. Die Görlitzer sind Wendehüte".
Als am 3. Juni die Zittauer auch noch Heidersdorf überfielen und ausraubten, wurde in görliz zur Mobilmachung geläutet. Türme und Bastionen bekamen ihre Besatzung, und eine über 2000 Mann starke Abteilung aus Bürgern, Stadtsoldaten und Bauern zog vor die Stadt, um am Weinberg vor Leschwitz und bei Köslitz den Zittauern, sollten sie auf Görlitz vorrücken, einen blutigen Empfang zu bereiten. Im übrigen aber hielten sich die Görlitzer zurück, um nicht durch weitere Vertragsbrüche ihre Privilegien zu gefährden. Nur des Bieres wegen wollte man es doch nicht zu weit treiben, dazu waren die Ratsherren zu gute Diplomaten. Der Landvogt beendete die Fehde, untersagte beiden Städten Übergriffe und verpflichtete Zittau zu einer Geldbuße für den verursachten Schaden. Aber der Zittauer Rat wollte eine solche Demütigung nicht auf sich nehmen, und die Sache zog sich einige Jahre hin. Schließlich brachten die Ritter und die übrigen Städte der Oberlausitz die 300 Gulden Schadenersatz auf, um die verfeindeten Städte zu versöhnen und den stolzen Sechsstädtebund nicht zu sprengen. Und weil die Görlitzer nicht kleinlich sein wollten, schenkten sie die Summe dem Landvogt, was zwar nicht verbürgt ist, aber begreiflich wäre.
Fortan gossen die Oberlausitzer ihr Bier lieber durch ihre Kehlen und nicht mehr auf die Landstraße.