Gregor Richter
Gregor Richter - Görlitzer Pastor Primarius und der große Widersacher Jacob Böhmes
"... und was für Strafen sind uns vom Himmel vorbehalten, so wir nicht mit gebührlichem Ernst diese Pest ferne von unserem Vaterland verjagen und mit Stumpf und Stiel ausrotten? ... Gehe nur geschwind und zieh weit weg, du leichtfertiges gotteslästerliches Maul, und erfahre, du elender Mensch, was dir für Unglück bereitet ist." Diese Sätze schleuderte Gregor Richter in seinem "Judicium Gregorii Richteri - Das gehegte Gericht Gregor Richters", im März 1624 wider Jacob Böhme. Gregor Richter der den wahren Glauben verteidigen wollte, ist als fanatischer Gegner Jacob Böhmes in die Annalen der Geschichte eingegangen. Alles versuchte der mächtige Görlitzer Pastor Primarius um Böhmes Gedanken zu vernichten. Aber ironischerweise muss er erkennen: "Kein Irrtum ist so ungereimt, dass er nicht solche findet die ihm Beifall geben". Auch damals schon waren Gedanken und Ideen frei und weder durch den Rat noch durch das Dogma zu unterdrücken. Eine Weisheit, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat und welche die Diktatoren dieser Welt wohl nie aus der Geschichte lernen.
Gregor Richter ist zweifellos eine tragische Gestalt der Görlitzer Geschichte. Wer aber war Gregor Richter?
Er wurde am 1. Februar 1560 in Görlitz geboren. Nachdem im Jahr 1561 seine Mutter stirbt zieht sein Vater Gregorius Richter als Klosterschmied nach Ostritz. Erzogen wurde der kleine Gregor bei seinen Großeltern in Görlitz. Er besuchte die hiesige Schule und wird 1576 nach Breslau zur weiteren Bildung geschickt. Dort soll er bei seinen Wirtsleuten auch Schmiedearbeit geleistet haben. Im folgenden Jahr schreibt Richter sich in die Matrikel der Universität Frankfurt a. O. ein. Geldsorgen veranlassen ihn jedoch nach Görlitz zurückzukehren und den Söhnen Joachim Emmerichs (1517 - 1597) Privatunterricht zu geben. Der Dienst bei dem einflussreichen Ratsherrn sollte sich als nützlich erweisen. Im Jahre 1583 kann Richter dann sein unterbrochenes Studium in Frankfurt fortsetzen.
Am 29. Oktober 1584 folgt er dem Ruf an das Görlitzer Gymnasium, dessen Rektor zu jener Zeit Laurentius Ludovicus ist. Als Hauslehrer gewinnt Richter schnell das Vertrauen des berühmten Rektors. Von 1587 bis 1590 ist Gregor Richter Pfarrer von Rauscha. Am 15.6.1587 verehelicht er sich mit Elisabeth, Tochter des Görlitzer Zacharias Willer. Er scheint ein glücklicher Familienvater gewesen zu sein. Die sehr herzlichen Worte, mit denen er seine Frau und seine drei Kinder in seinem Testament im Jahre 1624 bedenkt, zeugen davon. Im Laufe der Zeit gewann der ehemals mittellose Mann ein ansehnliches Vermögen, unter anderem drei Gärten auf der Reichenbacher Straße.
Im Jahre 1590 kehrt Gregor Richter nach Görlitz zurück und bekleidet die Stellung des untersten Geistlichen. Ab 1595 wird er dann schon Archidiakonus. Am 29. Juli 1606 ernennt der Rat Gregor Richter zum Pastor Primarius. Er tritt damit die Nachfolge Martin Mollers an. Glatt kann die Wahl zum obersten Geistlichen der Stadt nicht verlaufen sein. Denn der Rat ermahnt ihn seine Predigten kürzer zu fassen und sich im Ton zu mäßigen. Aus der Sicht des Rates war seine Berufung jedoch sinnvoll.
Richter verfügte über eine sehr gediegene Bildung besonders auf den Gebieten der Theologie und der Geschichte. Auch Musik und gute Unterhaltung fanden sein Interesse. Er gehörte zu den eifrigen Mitgliedern des Convivium Musicum und vertonte wahrscheinlich einige der von ihm geschriebenen Kirchenlieder. Sein ungeheurer Fleiß im Amte wird durch 5893 Predigten die er während der 34 Jahre als Geistlicher in Görlitz hielt hinreichend bewiesen. Ebenso wichtig war dem Rat jedoch Richters eindeutiges und orthodoxes Bekenntnis zur Lehre Luthers nach der Augsburger Konfession. In jener Zeit sorgte in Mitteldeutschland die Bewegung des sogenannten Kryptocalvinismus, eine Sammelbezeichnung für die freie Auslegung der lutherischen Lehre, für gehörige Aufregung. Die Theologen im Kreise der Görlitzer Humanisten (Bsp. Martin Moller) hatten sich mehr als verdächtig gemacht. Jahrelang, bis zum Tode Martin Mollers 1606 herrschte ein erbitterter Streit. Görlitz musste mit harten Sanktionen des Kaisers oder des Sächsischen Kurfürsten rechnen. Der Rat stand vor der Alternative eine streng lutherische Kirchenpolitik und Kanzellehre nach der Augsburger Konfession durchsetzen oder unter Umständen die Gegenreformation zu erleiden.
Mit der Berufung des sittenstrengen, orthodoxen Gregor Richter als Görlitzer Oberpfarrer fiel auch die Entscheidung über das Bekenntnis zur Augsburger Konfession. Der leidenschaftlich geführte, fast fanatisch zu nennende Kampf des elitären Pastor Primarius gegen die Worte und Werke eines in seinem Verständnis ungebildeten Schusters Namens Jacob Böhme, welcher sich anmaßt selbst die Schrift, das Wort Gottes auslegen zu können, wird unter diesem Kontext verständlich.
Allein der Tod konnte den schlimmsten Gegner Jacob Böhmes zum Schweigen bringen. Gregor Richter verstarb am 14. August 1624.
Schriftenauswahl
- Threni Scholae Gorlicensis. Görlitz, 1586.
- Lachrymae civium et musarum Gorlicensium. Görlitz, 1590. (Leichenpredigt auf Georg Ottomann)
- De fanaticis sutoris enthusiastici libris. (=3) ad avertendas sinistras de ministerio Gorlicensi suspiciones. Görlitz, 1624.
Literatur über Gregor Richter
- Gondolatsch, Max: Der Personenkreis um das Görlitzer Convivium und Collegium Musicum im 16. und 17. Jahrhundert. In: NLM Bd. 112 (1936), S. 76-155.
- Jecht, Richard: Die Lebensumstände Jacob Böhmes. In: NLM Bd. 100, S. 179-248.
- Lemper, Ernst-Heinz: Jacob Böhme. Leben und Werk. Berlin, 1976.
- Heimbach, Werner: das Urteil des Görlitzer Oberpfarrers Richter über Jacob Böhme. Sonderdruck aus: Herbergen der Christenheit 1973/74. S. 97-150.
- Funcke, Christian Gabriel: Kurzer Entwurf der Lebensgeschichte aller bei dem Kirchendienste gewesenen geistlichen Personen. Görlitz, 1711.