Petrus Snoeijer, Pastor und Stadtführer in Görlitz
Er kennt die Stadt wie seine Westentasche und erzählt Stadtgeschichte besonders gern aus der Perspektive von historischen Persönlichkeiten. Natürlich stilecht im Kostüm.
Wie kommt er nur darauf?
Frage 1: Tuchmacher, Kaufmann Frenzel oder Baumeister Rosskopf – welche historische Persönlichkeit fasziniert Dich am meisten?
Das ist schwierig zu sagen, weil mich alle Figuren sehr begeistern. Die Tuchmachergeschichte zum Beispiel finde ich unglaublich faszinierend. Ich bin wirklich tief in diese Geschichte reingetaucht und damit hat sich mir eine völlig neue Welt eröffnet. Da lässt sich noch Vieles entdecken!
Aber es ist auch wahnsinnig interessant zu sehen, wie Baumeister Roßkopf in der Übergangszeit zwischen Gotik und Renaissance wirkte. Dabei geht es um Kunst und Baukunst - wobei die Wechselwirkung zwischen einzelnen Regionen und verschiedenen Kunstäußerungen sehr interessant ist.
Als Person begeistert mich aber Kaufmann Hans Frenzel. Er war unglaublich reich und wollte dabei mit seinem vielen Geld auch etwas Gutes tun. Er war fromm, liebte - wie ich auch - Kunst und die Schönheit. Auch polnisch hat er gelernt – das ist eine weitere Parallele zu mir. Aber er überrascht mich auch manchmal wegen seines abweichenden Verhaltens.
Diese Vielseitigkeit der Personen ist herrlich! Mal bin ich reicher Kaufmann, mal bin ich Baumeister, mal Tuchmacher. Das ist doch schön, wenn man mal so die Rollen tauschen kann.
Frage 2: Wie kommst Du auf die Ideen zu Deinen Rundgängen und vor allem wer macht die Kostüme?
Ich lese sehr viel über Görlitz, über seine Geschichte und die Kunst im Allgemeinen. Dabei entdecke ich immer wieder faszinierendes Wissen, das ich gerne weiter vermitteln möchte. So bin ich irgendwann auf den ‚Vita Mercatoris‘ gestoßen, eine Art Autobiographie von Kaufmann Hans Frenzel. Es ist ein einzigartiger Einblick in das Leben und Denken eines konkreten Kaufmanns aus Görlitz. Damit wurde Hans Frenzel als Person für mich richtig lebendig. Ich habe mich dann weiter in sein Leben vertieft und so ist die Idee einer Führung im Gewand entstanden.
Ähnlich war es mit der Tuchmacherei und dem Tuchhandel. Weil dieser Aspekt so wichtig für die Geschichte von Görlitz war, wollte ich mehr davon wissen und verstehen. Und so bin ich auch hier tiefer in die Historie eingetaucht und habe wieder sehr vieles Neues entdeckt.
Meine Kostüme für die einzelnen Figuren kaufe ich immer in Spezialgeschäften für historische Gewänder. Doch davor beschäftige ich mich noch mit Kostümgeschichte, denn die Kleidung muss schon historisch korrekt sein. Inzwischen habe ich drei komplette Kostüme, aber natürlich habe ich schon wieder neue Ideen für kostümierte Führungen!
Frage 3: Dein Tipp für Görlitz-Besucher?
Gehen Sie einfach mal etwas abseits der bekannten Straßen in der Altstadt. Der Karpfengrund zum Beispiel ist ein wunderschöner, stiller Ort mitten im historischen Zentrum. Auch die Nikolaivorstadt ist ein schöne Gegend und der Nikolaifriedhof an einem Sommerabend für mich einfach einer der herrlichsten Orte der ganzen Stadt. Und machen Sie auch mal einen Spaziergang durch die weniger bekannten Gründerzeitstraßen in der Innenstadt, wie zum Beispiel die Blumenstraße oder den Mühlweg. Dabei sollten Sie auch immer wieder mal hochschauen – dann sehen Sie die kompletten Straßenzüge mit ihrer herrlichen Architektur.