ehemaliger Görlitzer Kulturmanager und „Vater des Zipfelbundes“
Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Zipfelbundes blickt Matthias Schneider auf die Entstehungsgeschichte dieser einzigartigen Tourismuspartnerschaft zurück. Im Interview erzählt er, wie aus einer vermeintlichen „Schnapsidee“ ein Erfolgsprojekt wurde.
Wie ist die Idee zum Zipfelbund entstanden?
Anfang 1999 kam in Selfkant die Frage auf, wenn hier der westlichste Punkt der Republik ist, wo sich die anderen äußersten Orte Deutschlands befinden. Mit Oberstdorf, List und Görlitz wurden diese ausgedeutet, und die Aachener Zeitung berichtete darüber.
Der Artikel landete auf meinem Schreibtisch, und irgendwie kamen Überlegungen zu den äußersten Zipfeln Deutschlands auf und wie diese Idee „vermarktet“ werden könnte.
Damals, als persönlicher Referent des Oberbürgermeisters auch für das Marketing der Stadt zuständig, erstellte ich ein kurzes „Arbeitspapier“. Bei der Dienstberatung die Idee präsentierend, erntete ich teils ungläubige Blicke, und ein leises „Schnapsidee“ war aus der Runde zu hören.
Letztendlich verständigten sich jedoch die vier Rathauschefs und gaben jeweils grünes Licht, die Idee weiterzuverfolgen. Relativ schnell wurden die Überlegungen zum Thema „Zipfelbund“ konkreter. Mein Vorschlag, die Gründung zum Tag der Deutschen Einheit in Wiesbaden zu besiegeln, wurde als „verwegen“ eingeordnet. Als gebürtiger Wiesbadener hatte ich jedoch noch gute Kontakte ins Rathaus wie auch in die Hessische Staatskanzlei, und tatsächlich konnte das verwegene Vorhaben am 3. Oktober 1999 umgesetzt werden.
Der unglaubliche Medienrummel bei der Unterzeichnung des „Zipfelpakts“ in Anwesenheit der jeweiligen Ministerpräsidenten änderte die Meinung einiger Zweifler an diesem Projekt.
Noch vor Ort erfolgte die Einladung der Sächsischen Staatskanzlei zum Tag der Deutschen Einheit 2000. War der Zipfelbund in Wiesbaden noch vielbeachteter Zaungast, war er in Dresden dann erstmals offiziell auf der Ländermeile zu finden.
Fazit zu 25 Jahren Zipfelbund: Auch „Schnapsideen“ können eine gewisse Nachhaltigkeit entwickeln.
Frage 2: Hast du schon alle vier Zipfel besucht?
1999 war die Zeit bis zum Tag der Deutschen Einheit in Wiesbaden zu knapp, um eine Reise durch alle Zipfel Deutschlands zu unternehmen und die Kollegen persönlich zu treffen. Doch innerhalb von sechs Monaten haben wir es dann im Jahr 2000 geschafft: Wir trafen uns in List, Oberstdorf, Selfkant und Görlitz – noch ohne den Zipfelpass, der erst im Oktober desselben Jahres zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden erstmals ausgegeben wurde.
In den folgenden Jahren präsentierte sich der Zipfelbund regelmäßig vor Ort: bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf, beim Hafenfest in List, beim Sommerfest im Selfkant und beim Altstadtfest in Görlitz.
Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die herzlichen Begegnungen: In der Oberstdorfer Dampfbierbrauerei stellte uns eine freundliche Wirtin eine Runde Bier auf den Tisch mit den Worten: „Geht auf's Haus.“ Der Liebe wegen war sie von Görlitz nach Oberstdorf gezogen.
Am Lister Hafen begrüßte mich ein Krabbenpuler mit einem breiten Grinsen: „Ach, der Herr Schneider!“ Er war ein gebürtiger Görlitzer, den es nach der Wende in den nördlichsten Zipfel Deutschlands verschlagen hatte. Als Abonnent der Sächsischen Zeitung war er bestens über den Zipfelbund informiert.
Frage 3: Dein Tipp für Görlitz-Besucher?
Das fällt bei über 4.000 denkmalgeschützten Gebäuden und Einrichtungen nicht so leicht. Die Altstadt muss man unbedingt gesehen haben. Die Bandbreite vieler einmaliger Gebäude reicht hier von der Spätgotik über die Renaissance bis zum Barock.
Der Flüsterbogen am Untermarkt, ein Blick in die Peterskirche mit ihrer Sonnenorgel, danach über die Altstadtbrücke nach Zgorzelec sollte bei der Erkundung nicht fehlen. Ein ausgedehnter Bummel durch das Gründerzeitviertel mit Bauten im Jugendstil, imposanten Villen, Grünanlagen und Parks runden die architektonische Zeitreise ab.
Für Cineasten eventuell interessant – bei einem Stadtrundgang kann man auch eine ganze Reihe Drehorte bekannter Filmproduktionen entdecken. Ob „In 80 Tagen um die Welt“, „Der Vorleser“, „Grand Budapest Hotel“, „Goethe!“ oder „Die Schule der magischen Tiere“ – um nur einige Produktionen zu nennen - wurden teils in „Görliwood“ gereht.
Erlebenswert auf jeden Fall auch der Besuch des mehrfach ausgezeichneten Naturschutz-Tierpark Görlitz-Zgorzelec, eine Schiffstour auf dem Berzdorfer See oder die vor den Toren der Stadt gelegene Kulturinsel Einsiedel.
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