Das Görlitzer Hallenhaus
Über 4000 Baudenkmale in einem unzerstörten Stadtbild machen Görlitz zu einem herausragenden Zeugnis der europäischen Architekturgeschichte. Die Görlitzer Hallenhäuser an der bedeutenden europäischen Handelsstraße und heutige Kulturroute des Europarates VIA REGIA bilden den Kern des historischen Ensembles aus der städtischen Blüte im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit. Ihre Entstehung ist zugleich ein Spiegelbild des zentraleuropäischen Handelswesens jener Zeit.
Die Häuser der Görlitzer Fernhändler waren Wirtschaftsraum und Wohnhaus zugleich. Die Händler reisten nicht mehr zwingend selbst, sondern schufen sich mit den Hallenhäusern exklusive Kontore, von denen aus sie den Markt kontrollieren konnten. Ihre Häuser wurden zunehmend zum Kaufhaus und Messeplatz. Daneben trugen die geräumigen Hallenhäuser als Brauhöfe in beachtlichem Umfang zum Wohlstand der Kaufleute bei. Auch Gästezimmer für reisende Kaufleute und etliche Nebenräume fanden neben den Wohngemächern Platz.
Eines der bemerkenswertesten Raumerlebnisse frühbürgerlicher Hausanlagen ist die weit ausladende Eingangshalle mit einer Durchfahrt zum Hof und der breiten, bequemen Treppe in die große Zentralhalle. Dieses bühnenartige Architekturprogramm wird dem Wunsch nach Repräsentation in ganz besonderer Weise gerecht und widerspiegelt das gewachsene bürgerliche Selbstbewusstsein sehr anschaulich. Ein ganz besonderer Symbolwert kommt der Treppe zu, die im 15. Jahrhundert sie zu einem von Herrscherhäusern bevorzugten Repräsentationselement avanciert.
Ausstellung "Kaufmannspaläste an der VIA REGIA"
Die Görlitzer Hallenhäuser bzw. Kaufmannspaläste sind einzigartige Baudenkmäler. Sie sind als herausragende Zeugnisse ihrer Epoche geeignet, das zentraleuropäische Handelssystem der frühen Neuzeit darzustellen. Dabei werden sowohl Eigentümerchroniken seit dem 14. Jahrhundert erforscht als auch die Haus- und Bauforschung vertieft. Einen aktuellen Einblick in diese Thematik gibt die Ausstellung im Hallenhaus in der Brüderstraße 9.
Der Eintritt ist frei
geöffnet vom 16. Mai bis 13. Oktober 2024
Flyer zur Ausstellung (deutsch)
Flyer zur Ausstellung (englisch)
Flyer zur Ausstellung (polnisch)
Das Hallenhaus in der Brüderstraße 9 ist unsaniert und lässt die Besucher:innen in die Entstehungsgeschichte eintauchen. Neben dem Hauptausstellungsstück, dem Gebäude selbst, sind herausragende Fotoinstallationen von Ulrich Schwarz zu sehen. Gezeigt werden eine Auswahl exemplarischer Gebäude an der via Regia in Polen mit den Stationen Liebenthal, Greiffenberg, Schweidnitz, Krakau und Jaroslau. Die Gebäudekubatur der Brüderstraße 9 wird in einem hochpräzisen 3-D-Druck gezeigt. In drei Querschnitten durch das Gebäude wird somit die Anatomie des Hauses sichtbar und verständlich. Darüber hinaus sehen die Besucher:innen in einem Animationsfilm die Entwicklung der Görlitzer Hallenhäuser in LEGO-Bauweise.
Das Gebäude Brüderstraße 9 ist nicht nur Ausstellungsort, sondern dient auch zu Forschungszwecken.
Der Görlitzer Ratsarchivar forscht seit einigen Jahren an den Chronologien der Eigentümer von ausgewählten Görlitzer Hallenhäuser. Dabei stellte er fest, dass sowohl für dieses Hallenhaus, als auch für die meisten anderen Görlitzer Hallenhäuser nicht nur die Namen der Besitzer ermittelbar sind. Es ist erstaunlicherweise möglich, durch die nahezu vollständig vorhandenen Haus-Dokumente, wie Geschossbücher und Steuerunterlagen, umfangreiche Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie die im Haus lebenden Personen durch ihre Tätigkeiten und sich wandelnden Lebens- und Arbeitsbedürfnisse den fortwährenden Umbau der Häuser beeinflusst und die Funktionalität der Gebäude geprägt haben.
Weitere Hallenhäuser sind zum Beispiel das Schlesische Museum, das Hotel Frenzelhof und das Biblische Haus.
Bestandteile des Görlitzer Hallenhauses
Eingangshalle
Lagergewölbe
Braukeller
Treppenhaus
Renaissancesaal
Bohlenstuben
Kapelle
Wohnräume
Sanitärbereich
Portale