Professor Ludwig Feyerabend
Professor Ludwig Feyerabend - Begründer der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz und erster Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in der Oberlausitzer Gedenkhalle
Die Blütezeit von Görlitz am Ende des 19. Jahrhunderts war auch verbunden mit einem Aufstieg der Wissenschaften in unserer Stadt und mit dem Namen von Ludwig Feyerabend. Weit über die Grenzen der Oberlausitz hinweg wurde er für zwei junge Wissenschaftsdisziplinen bekannt - für die Archäologie und für die Museologie. Auf beiden Gebieten leistete er Pionierarbeit.
Ludwig Feyerabend stammte aus Auras a. d. Oder. Sein Vater, den er bereits mit 16 Jahren verlor, war Geistlicher. Nach dem Besuch der Königlichen Landschule in Pforta und seinem Militärdienst studierte er in Breslau klassische Philosophie, Deutsch, Geschichte und Kunstgeschichte sowie in Wien vergleichende Sprachwissenschaften und Kunstgewerbe. Nach dem Examen unterrichtete er hauptsächlich griechische Sprache als Oberlehrer in Ohlau und Jauer. 1885 übernahm Ludwig Feyerabend die Leitung des Pädagogiums an der Kahlbaumschen Anstalt in Görlitz und elf Jahre später die private Unterrichtsanstalt von Dr. Winkler. Bereits 1888 war auf sein Betreiben hin in Görlitz die Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz gegründet worden. Durch das enorme Engagement und persönliche Charisma Feyerabends entwickelte sie sich zu einer mitgliederstarken, sehr tätigen wissenschaftlichen Gesellschaft, der Feyerabend bis zu seinem Tod als Vorsitzender vorstehen sollte. Bereits in den Anfangsjahren gelang es ihm, alle in Görlitz vorhandenen archäologischen Sammlungen auch aus Privathand zu vereinen und im Haus der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften Neißstraße 30 auszustellen. Seit 1890 erschienen regelmäßig die Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie mit Jahres- und Ausgrabungsberichten. Eine Vielzahl von archäologischen Grabungen, z.B. in Zentendorf, Leschwitz, Lissa, auf der Landeskrone, in Rothenburg, Muskau, Reichwalde, fand unter seiner Leitung statt. Als Lehrer war ihm sehr an der Verbreitung dieser jungen Wissenschaft und ihrer Ergebnisse gelegen. In vielen Vorträgen begeisterte er die Menschen. Diese Fähigkeit sollte ihm bei seiner Tätigkeit ab 1903 sehr zustatten kommen. Mit 47 Jahren ging für Ludwig Feyerabend ein Kindheitstraum in Erfüllung. Er wurde "Museumsmann". Die Stadt Görlitz berief ihn am 1. April zum ersten Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in der Oberlausitzer Gedenkhalle. Leere Räume mussten in der 1902 im Beisein des deutschen Kaisers eingeweihten Ruhmeshalle mit Musealien gefüllt werden. Neben den Sammlungen des Städtischen Museums für Altertum und Kunst und denen "seiner" Anthropologischen Gesellschaft, gelang es ihm, vor allem Privatleute für den Erwerb von Objekten zu gewinnen. Einer der wichtigsten Förderer des Görlitzer Museums war der jüdische Kaufmann und Kommerzienrat Martin Ephraim (1860-1944). Mit einem wissenschaftlichen Sammelplan ausgerüstet ging Feyerabend mit Feuereifer an diese Aufgabe. Bereits ein Jahr später konnten die ersten Räume des Museums eröffnet werden, zehn Jahre später erwiesen sich die Räumlichkeiten als zu klein. Kontinuierlich strebte Ludwig Feyerabend die Erweiterung des Museums durch Geldsammlungen an. Der 1. Weltkrieg und die anschließende Inflation brachten zunächst alle Bemühungen zum Scheitern. Die Alternative mit dem Umbau des Kaisertrutzes zum archäologischen und stadtgeschichtlichen Museum 1932 erlebte Feyerabend nicht mehr. 1927 starb er nach schwerer Krankheit. Auch die Einrichtung einer hauptamtlichen Stelle eines Prähistorikers in der Stadt Görlitz 1928, ein großer Wunsch von Feyerabend, ging erst nach seinem Tode in Erfüllung. Aber die Grundlagen für den Aufstieg der Archäologie und des Museumswesens in Görlitz hatte er gelegt - Ludwig Feyerabend.
Text: Ines Anders
Lebenslauf
1855 17.10. in Auras a. d. Oder als Sohn eines Geistlichen geboren
1875 Besuch der Königlichen Landschule in Pforta, danach Militärdienst und Studium in Breslau und Wien
1881 als Oberlehrer in Ohlau und Jauer beschäftigt
1885 wird er Leiter des Pädagogiums der Kahlbaumschen Anstalt in Görlitz
1888 gründet Feyerabend die Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz
1890 erscheint das erste Jahresheft der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz
1896 übernimmt Feyerabend die private Unterrichtsanstalt von Dr. Winkler in Görlitz
1903 1.4. zum Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in der Oberlausitzer Gedenkhalle ernannt
1906 die Deutsche Anthropologische Gesellschaft hält ihre Jahrestagung in Görlitz ab
1913 erhält Feyerabend den Titel Professor
1927 13.10. stirbt Ludwig Feyerabend
Schriftenauswahl
- Führer durch die Gedenkhalle mit Kaiser-Friedrich-Museum, Görlitz 1910
- Die Oberlausitzer Gedenkhalle mit Kaiser-Friedrich-Museum 1902-1912, Görlitz 1912
- Alt-Görlitz einst und jetzt, Görlitz 1927/28
- Regelmäßige Beiträge in den Jahresheften der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz mit Fund- und Ausgrabungsberichten
Literatur über Ludwig Feyerabend
- Alfred Hartmann: Museumsdirektor Ludwig Feyerabend. Nachruf mit Bild, in: Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz 33 (1929), S. 63-72
- Günter Rennebach: Ludwig Feyerabend zum Gedenken. Zur Entwicklung der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz, in: Arbeits- und Forschungsbe-richte zur sächsischen Denkmalpflege, Hrsg. Werner Coblenz, Bd. 14/15, Berlin 1966, S. 15-24
- Ines Anders: Die Oberlausitzer Gedenkhalle mit Kaiser-Fried-rich-Museum in Görlitz 1902 bis 1932. Ein Beitrag zu Ge-schichte und Selbstverständnis der Städtischen Kunstsammlun-gen Görlitz, in: Görlitzer Magazin, 6. Jg., (1992), S. 1-36 und 7. Jg., S. 56-62